Hilfe im Krieg gegen die Ukraine

Amal hilft, organisiert und berät

Termine

Ukraine-Krieg, Flucht und dann?

Schon in den ersten Kriegstagen hat Amal Vertreter von verschiedenen Gemeinden, Wirtschaft, Politik und Verwaltung der Stadt Bramsche in die Gelbe Villa eingeladen, um gemeinsam zu beraten, welche Möglichkeiten der Unterstützung wir für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Bramsche bieten könnten. Im Ergebnis hat sich die Stadt Bramsche entschieden, unabhängig von bundesweiten Verteilungsschlüsseln, alle Menschen, die aufgrund von privaten oder beruflichen Bezügen zu Familien oder Betrieben in Bramsche hierherkommen wollen, soweit irgend möglich privat in Bramsche aufzunehmen.

Amal übernahm die Aufgabe, alle Hilfsangebote an Sachspenden, Geldspenden, Wohnungsangeboten und ehrenamtlicher Hilfe zu koordinieren und zentrale Anlaufstelle für alle ankommenden Flüchtlinge zu werden. Niemand von uns hat zu diesem Zeitpunkt geahnt, worauf wir uns damit eingelassen haben.

In den Wochen darauf standen unsere Telefone Tag und Nacht nicht mehr still, weil

  • besorgte Familien, nach Bramsche flüchtende Angehörige ankündigten oder einfach in der Gelben Villa absetzten,
  • Hausbesitzer Wohnraum anbieten wollten, aber nicht wussten, wie das geht und was damit auf sie zukommt,
  • Menschen, kistenweise Sachspenden abgeben wollten,
  • Gastfamilien, wissen wollten, wie die rechtlichen Bedingungen für Sozialhilfe oder Wohngeld der Geflüchteten seien,
  • und Schulen, Kindergärten oder Gemeinden, wegen Übersetzern oder Rechtsfragen bei und anriefen.      

Irgendwann mussten wir unsere Telefone ausschalten, um überhaupt noch Schlaf zu bekommen, wenn nicht sogar an der privaten Haustür geklingelt wurde. Kaum hatten wir die Telefone morgens angeschaltet, fanden sich darauf dutzende dringender Nachrichten und gleich die ersten Anrufe wie: „Auf der Treppe von Amal sitzt eine Frau mit Koffern, könnt ihr bitte schnell kommen?“.

Wir haben online Datenbanken eingerichtet mit Listen von angebotenem Wohnraum und Listen von flüchtenden Familien, die nach Bramsche kommen wollten. Dazu Listen mit Möbelspenden, und anderen Sachspenden zur Einrichtung leerer Wohnungen.

Als ein Hilferuf einging, dass eine Gruppe von über zwanzig Frauen und Kindern, die nachts in einem Zug in der Ukraine Richtung Polen unterwegs war, und dringend abgeholt werden wollte, organisierten wir mit Hilfe der Firma Beckermann einen großen Reisebus, der innerhalb weniger Stunden mit drei Fahrern losfuhr und die Gruppe an der Grenze zu Polen abholte.

Bei der Vermittlung von Gastfamilien achteten wir darauf, alle Beteiligten so gut es ging zu beraten, um sicher zu sein, dass sie bestmöglich vorbereitet waren für das was auf sie zukam. Manche Wohnungsanbieter zogen ihr Angebot daraufhin kurzfristig zurück, nachdem ihnen klar wurde, worauf sie sich eingelassen hätten.

Alle Flüchtlinge, die über Amal nach Bramsche kamen, wurden von uns, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit sie ankamen, in der Gelben Villa empfangen und bewirtet, dort zusammen mit Dolmetschern mit ihren Gastfamilien bekannt gemacht und über die wichtigsten aktuell geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen informiert. Die Wochen waren gefüllt mit Behördengängen, Recherchen über ständig wechselnde ausländerrechtliche oder sozialrechtliche Verordnungen und unzähligen Beratungsgesprächen. An manchen Tagen waren über 90 Personen in Amal zur Beratung, was uns angesichts der immer noch geltenden Corona-Pandemie-Beschränkungen vor große Herausforderungen stellte. Die Beratungen wurden zeitlich hintereinander getaktet in Kleingruppen auf alle 5 Innenräume verteilt und alles, was außen machbar war, wurde in den Garten verlegt.

Im April konnten wir zumindest finanziell etwas aufatmen: Nach unkomplizierten Gesprächen mit der Lotto-Sport-Stiftung erhielten wir eine Soforthilfe für unsere Organisationsarbeit. Wenig später bekamen wir auch eine Zusage von Demokratie-Leben für unseren wöchentlichen Ukraine- Beratungs-Café-Treff am Montag. Zudem gingen im Verlauf der ersten Kriegsmonate erfreulicherweise so viele Privatspenden ein, wie sie es in den gesamten Jahren von Amal zusammengenommen nicht gegeben hat. Leider blieben dennoch zum Ende des Jahres nur drei monatliche Dauerspender mehr als in den Vorjahren.

Wohnraumvermittlung

Die Sommermonate waren geprägt von der Beratung und Versorgung neu ankommender Flüchtlinge und unseren Bemühungen, einerseits mit den Bedürfnissen überforderter Gastfamilien umzugehen und andererseits länger anmietbaren Wohnraum zu finden, in die die ukrainischen Familien – meist Mütter mit ein bis zwei Kindern und gelegentlich einer Großmutter – umziehen konnten. Viele unmöblierte Wohnungen wurden von uns mit gespendeten und auch gekauften Möbeln, Waschmaschinen, Geschirr und anderer Erstausstattung versorgt, die wir überall im Landkreis abbauten und mit Autos und Anhänger,  teilweise sogar mit dem Lastenfahrrad transportierten und in den Wohnungen wieder aufbauten.

Mietangebote, Nebenkostenkalkulationen und Quadratmeterzahl mussten passend zu den Ansprüchen der Geflüchteten beim Sozialamt, bzw. ab dem Sommer beim Jobcenter zugeordnet werden. Damit Vermieter, Ämter und die betreffenden Familien zueinander finden konnten, schrieben wir zwischen den Möbeltransporten und Telefonaten auch die jeweils passenden Mietverträge, weil sich viele Vermieter nicht mit den Sozialhilfesätzen und Vermietung auskannten.

Etwa Mitte des Jahres luden wir alle Gastfamilien ins Rathaus zu einer Veranstaltung ein, bei der wir fragten: „Wie geht es Euch, was macht ihr für Erfahrungen, wo benötigt ihr mehr Unterstützung, was könnte besser laufen mit den Behörden, mit Schulen, mit der Zusammenarbeit mit Amal?“.

Die Veranstaltung war für alle Beteiligten ein großer Gewinn, nicht nur im Organisatorischen, sondern auch im persönlichen Miteinander. Zum Abschluss drehten wir die Perspektive der Fragestellung um und ließen die Eingeladenen wissen, wie es uns in Amal geht, wo wir uns mehr Unterstützung wünschen würden und was aus unserer Sicht besser laufen könnte mit Behörden, Schulen und auch mit den Gastfamilien. Auch dieser Teil der Veranstaltung war für alle sehr wichtig und hat zu sehr tragfähigen und langfristigen Beziehungen zwischen einigen Gastfamilien und Amal geführt.

Parallel zu alldem liefen Deutschkurse und andere Beratungsangebote auf Hochtouren. Die Gelbe Villa wurde wöchentlich von anfangs 200 bis später 300 Menschen aufgesucht, was in Zeiten von Corona-Schutzbestimmungen zeitweise die Räumlichkeiten und uns alle an die Grenzen des Möglichen gebracht hat.

Für die vielen Kinder, die nun täglich zur Gelben Villa kamen, haben wir ebenfalls mit der finanziellen Unterstützung der Lotto-Sport-Stiftung einen Spielmobil-Anhänger angeschafft, der mit Spielgeräte-Spenden der Firma Twenhäfel und der AWIGO ausgestattet wurde. Neben der Verwendung im Amal Garten fand und findet dieses Spielmobil auch regelmäßig dienstagnachmittags Einsatz in der LAB, wo manchmal 80 und mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene beim Sport, Spiel und Malen ihre Freude haben und mal ein wenig Ablenkung von den täglichen Problemen und Sorgen.

Im Verlauf des Jahres verstärkte sich die Belastung zunehmend durch Beratungs- und Vermittlungsaufgaben für Familien, die darauf drängten, in qualitativ zentraler gelegene oder besser ausgestattete Unterkünfte umzuziehen. Gleichzeitig entstand hoher Beratungsaufwand durch die Umstellung der Zuständigkeiten und Ansprüche für Leistungsbezüge weg vom Sozialamt und hin zum Jobcenter. Um uns nicht zu verausgaben, mussten wir unsere Kräfte bewusst darauf zu konzentrieren, zuvorderst für diejenigen da zu sein, die wirklich noch unversorgt oder in unzumutbaren Verhältnissen untergebracht waren. Unser Team musste auch Abgrenzung von solchen Anfragen lernen, bei denen gut versorgte Familien letztlich nur auf noch mehr Wohn-Komfort und noch höhere Sozialleistungsbezüge abzielten.

Gleichzeitig bitter, aber auch großartig war es, mit anzusehen, wie sich Mitglieder von Amal, die selbst aus anderen Kriegsländern geflüchtet sind und seit Jahren auf Anerkennung ihres Asylantrages warten, in diesen Monaten nach besten Kräften für die Bedürfnisse der ukrainischen Geflüchteten einsetzten. Und das obwohl diese durch die neu angewendete Massenstrom-Richtlinie im Gegensatz zu ihnen selber sofort volles Bleiberecht, Arbeitsrecht und volle Sozialbezüge erhielten. Die Herausforderung, diese Ungleichbehandlung Geflüchteter innerhalb von Amal auszuhalten, bleibt bis heute.

Nachfolgend einige "historische" Links unserer Website aus den ersten Kriegs-Wochen:

Ukraine - Updates

Ukraine - Krieg und Flucht

Ukraine - Nützliche Linkliste

Ukraine - Cafe-Treff